Kulturschock #4: Kanada-Sprech

…oder besser Vancouver-Sprech? Mir fällt hier immer wieder auf, dass Gespräche komplett anders ablaufen als in Deutschland. Das fängt schon bei der Begrüßung an:

Deutschland

A: Hi!

B: Hi!

(A und B unterhalten sich über ein Thema)

Kanada

A: Hi, wie geht’s dir?

B: Hi! Momentan ist echt viel los. Heute muss ich noch drei Hausarbeiten schreiben, mich mit fünf Projektgruppen treffen und meinem Onkel beim Malern helfen. Und bei dir so?

A: Ja, ich hab’ gerade auch suuuuper viel um die Ohren. Diese Woche wieder 50 Stunden neben dem Studium gearbeitet. Außerdem habe ich mich für die Studenteninitiative engagiert, von der ich letztens erzählt habe, und zwei überlebenswichtige Klausuren geschrieben.

Ehrlich gesagt habe ich hier immer den Eindruck, ich manage meine Zeit entweder extrem gut oder habe einfach deutlich weniger zu tun. Wer am meisten zu tun hat, scheint hier besonders hoch angesehen zu sein. Einer meiner Dozenten (Chris) führt ein eigenes kleines Unternehmen, arbeitet Vollzeit an der KPU und studiert parallel Vollzeit an der UBC. Da er uns das ungefähr jede Woche erzählt, nehme ich an, er ist besonders stolz darauf.

Was ich übrigens sehr respektvoll finde, sind die sogenannten “land acknowledgments” (Landanerkennungen). Zu Beginn fast jedes Events und jeder Vorlesung drückt man seine Wertschätzung dafür aus, auf dem Land der First Nations (das sind die indigenen Völker in Kanada) leben, lernen und arbeiten zu dürfen. Man erkennt damit an, dass man als nicht-indigener Einwohner Kanadas eher eine Art Gast im Land ist und daher dankbar über die Gastfreundschaft ist. Mir gefällt das.

Wenn das Gespräch dann beginnt, wird besonders darauf geachtet, dem anderen immer erstmal recht zu geben. Alles ist “great”, man “agree”-t natürlich “totally”, weil alles zu “100%” “awesome” ist und man “sure” sein kann, dass der andere “exactly” der gleichen Meinung ist. Das kann einen vielleicht erstmal bestärken, doch im nächsten Satz folgt dann meistens ein Gegenargument oder eine andere Meinung kommt zum Vorschein. Für mich war das zu Beginn ehrlich gesagt etwas verwirrend.

Spannend fand ich auch, wie oft man sich hier entschuldigt: in jeder noch so harmlosen Situation – manchmal auch mehr als einmal. Am interessantesten ist dann aber, dass sich die andere Person daraufhin ebenfalls entschuldigt. Ich habe übrigens noch nie gesehen, dass jemand unhöflich oder wütend wurde, nachdem man ihn z.B. angerempelt hat. Man tauscht einfach ein paar “sorry”s aus und schon ist die Welt wieder in Ordnung.

Ein Gespräch endet schließlich mit Sätzen wie “stay safe” (bleib sicher) oder “take care” (sei vorsichtig). Ebenso häufig wird einem “have a good one” (hab einen guten Tag) hinterhergerufen. Insgesamt laufen Konversationen sehr höflich und respektvoll ab. Menschen, denen Verträglichkeit wichtig ist, sind hier also genau richtig. Trotzdem sollte man (wie immer im Leben) aufmerksam zuhören und auch zwischen den Zeilen lesen, was der Gesprächspartner eigentlich sagen möchte.

In diesem Sinne: have a good one!