1. Kapitel: Die Ankunft

“Aaahhh!” Die Frau schreit erschrocken auf und starrt mich ungläubig an. Ihr Hosenstall steht noch halb offen und sie hätte vor lauter Schreck beinahe ihr nagelneues iPhone ins Klo fallen gelassen. Schnell packt sie alles zusammen, schiebt sich an mir vorbei aus der Toilettenkabine und rennt völlig verängstigt auf den Ausgang der Damentoilette zu.

“Tschuldigung”, rufe ich ihr noch hinterher, doch die Frau ist bereits weg. Vermutlich bestellt sie sich erstmal einen Coffee To Go und einen Frust-Donut bei Tim Horton’s, um den Schreck zu verarbeiten. Ich kann ihr ihre Angst nicht mal verübeln. Wer würde schon gern beim Toilettengang von einer aus dem Nichts kommenden Fremden überrascht werden. Das hätte nun wirklich nicht sein müssen. Ich werde dazu wohl nochmal ein ernstes Wörtchen mit meinem lieben Onkel Carl reden müssen.

“Na Cassandra, gut gelandet?” 

Wenn man vom Teufel spricht. In meinem kognitiven Display, kurz DisKo genannt, erscheint Carls einzeilige Nachricht. Er legt wirklich immer ein unfassbar furchtbares Timing an den Tag, wenn es um unangenehme Situationen geht.

“Na ja, bis auf die pinkelnde Frau, auf der ich gelandet bin, lief es ganz gut. An der Ortsbestimmung für die Teleportation musst du echt noch arbeiten”, denke ich, während der Satz zeitgleich auf meinem DisKo erscheint und an Carl geschickt wird. Das DisKo ist eine der vielen praktischen Erfindungen, die in Cube – meiner Heimatstadt außerhalb der Erde – entwickelt wurden. Smartphones gibt es dort mittlerweile gar keine mehr. Stattdessen wird über einen komplexen Reflektionsprozess eine Art Display auf unsere Netzhaut gespiegelt, über welches wir Nachrichten lesen und durch die ständige Messung von Gedankenströmen auch darauf antworten können. Vielleicht hätte ich der Frau von eben auch ein DisKo anbieten sollen. Dann hätte sie wenigstens nicht so um ihr Handy bangen müssen. Egal, dafür ist es jetzt zu spät.

“Das klingt nach Spaß! Schön, dass du wenigstens weich gelandet bist. Sag Bescheid, wenn du in der Zentrale angekommen bist, ja?”

“Klar”, schicke ich ein wenig genervt zurück. Mit einem tiefen Seufzer folge ich der Frau aus der Damentoilette in das dichte Gedränge von Tim Horton’s und mache mich auf den Weg in die Vancouver-Zentrale von Cube.