15. Kapitel: Im Baumhaus

Irgendwie habe ich geahnt, dass es sich lohnen würde, der Katze Mallory in den Wald zu folgen. Doch mit einem Hightech-Fahrstuhl, der zu einem vollausgestatteten Baumhaus mitten in der Wildnis führt, hätte ich nicht gerechnet. Und mit einer sprechenden, schlagfertigen Katze auch nicht. Aber eigentlich darf ich mich nicht wundern – immerhin bin ich selbst mit einem überaus gesprächigen Küken unterwegs.

Das Baumhaus ist hell ausgeleuchtet und sehr geräumig. Alle Wände bestehen aus massivem Glas. In der Mitte des Raumes steht ein großer, bronzefarbener Kessel und an den Wänden lehnen einige Bilder.

„Was hat das alles zu bedeuten? Was sollen wir denn hier?“, frage ich, nachdem ich den Raum gründlich inspiziert habe. Drew scheint sich immer noch nicht aus meiner Jackentasche zu trauen. Die Bemerkung, dass er eine proteinreiche Mahlzeit abgeben würde, hat ihn wohl mehr verschreckt, als ich dachte.

„Ich gebe es nur sehr ungern zu, aber ihr seid meine letzte Hoffnung“, gesteht Mallory uns ernst. Mit diesem Geständnis habe ich nicht gerechnet. Bis jetzt wirkte Mallory auf mich eher wenig hilfsbedürftig. 

Sie holt tief Luft und setzt zu einer Erklärung an. „Ihr müsst wissen, dass ich seit einiger Zeit an einem Trank arbeite, der die Armut erträglicher für die Obdachlosen in Downtown Eastside machen soll. Hier ist er.“ Mallory zeigt mit ihrer rechten Pfote auf den Kessel. Ich trete einige Schritte näher an den Kessel heran und luge neugierig hinein. Eine farb- und geruchlose Flüssigkeit köchelt darin.

„Bereits seit einigen Monaten arbeite ich an der perfekten Rezeptur, doch mir fehlt noch eine Zutat. Es ist nicht übertrieben, zu sagen, dass es sich dabei um die wichtigste handelt. Für mich ist es allerdings schwierig bis unmöglich, diese Zutat zu besorgen.“ Sie hockt sich neben den Kessel und schaut mich erwartungsvoll an.

„Okay, ich denke, wir haben verstanden, was du von uns erwartest“, ertönt es zu meiner Überraschung aus meiner Jackentasche. Drew steckt den Kopf heraus und stützt sich mit seinen gebrechlichen Flügeln auf dem Reißverschluss ab. „Aber woher weißt du überhaupt von den Obdachlosen?“ 

Erst jetzt fällt mir auf, dass Mallory von unserer Mission zu wissen scheint, obwohl ich kein Wort darüber verloren habe.

„Das geht dich zwar nichts an, aber auch ich bin ab und an mal auf der East Hastings Street unterwegs und kenne mittlerweile einige der Obdachlosen“, erwidert Mallory ausweichend.

„Das klingt logisch. Ich wusste doch, dass ich dich schon einmal gesehen habe”, erwidere ich. Innerlich habe ich bereits beschlossen, Mallory bei ihrem Vorhaben zu helfen. „Welche Zutat fehlt dir denn für deinen Trank noch?”