4. Kapitel: Chinatown Main Street

“Was für ein herrlicher Tag, um das ärmste Viertel der Stadt zu besuchen. Mann, ich bin schon so aufgeregt…” Drew, das Küken, hat es sich in meiner Jackentasche bequem gemacht und schnattert, seit wir die Zentrale verlassen haben, ununterbrochen vor sich hin. Genervt verdrehe ich die Augen und versuche mich auf unseren Weg nach Downtown Eastside zu konzentrieren. Müsste nicht hier… ah, da ist er ja! Der Tim Horton’s vor mir sieht aus wie jeder andere. Bodentiefe Fenster, billige Plastik-Stühle und Tische, eine riesige Auswahl an Donuts und Timbits mit Glasuren und Füllungen aller Art sowie der unverkennbar geschwungene rote Tim Horton’s Schriftzug über dem Eingang. Vor der Tür entdecke ich außerdem einen Aufsteller, der die Neuheiten der Saison anpreist: Zimt-Latte, doppelter Lebkuchen-Espresso und Rentier-Donuts mit Spekulatius-Füllung. Klar, bald ist schließlich Weihnachten.

“Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?”, fragt Drew vorwurfsvoll. “So langsam hab’ ich das Gefühl, ich spreche mit mir selbst.”

“Wir müssen uns auf unsere Mission konzentrieren. Also, bist du bereit, nach Downtown Eastside zu reisen?”, entgegne ich, ohne auf seinen Vorwurf einzugehen. “Die Prozedur ist ganz simpel. Wir gehen da jetzt rein, bestellen einen Coffee Mocha und laufen damit fünf Schritte Richtung Ausgang, wo wir mit diesem speziellen Regenschirm…”, ich halte meinen pastell-lilafarbenen Regenschirm in die Höhe, der perfekt zu meiner violetten Haarfarbe passt. “…dreimal auf den Boden klopfen und sagen ‘Chinatown Main Street’. Da wollen wir nämlich landen. Soweit klar?”

“Ähh, sagtest du nicht, es sei total simpel?” Drew schaut mich skeptisch an. “Hört sich für meinen Geschmack ziemlich kompliziert an. Und was genau passiert eigentlich, nachdem du deinen Zauberspruch aufgesagt hast?”

“Das wirst du dann schon sehen. Also, bist du bereit?”, frage ich ungeduldig.

“Hab’ ich denn eine Wahl?”, entgegnet Drew seufzend und vergräbt sein winziges Köpfchen in meiner Jackentasche. 

Ich gehe schnurstracks auf die Eingangstür zu. Beim Eintreten ertönt sofort das wohlbekannte, stetige Piepen der Kaffeemaschinen und Geräte hinter dem Tresen und ein intensiver Kaffeegeruch steigt mir in die Nase. Durch die vielen wartenden Kaffeesüchtigen bahne ich mir meinen Weg zur Kasse und gebe meine Bestellung auf. 

Nach kurzem Warten drückt mir ein in Schweiß gebadeter Mann in der typisch roten Timmy’s Uniform meinen Coffee Mocha in die Hand, mit dem ich wie angekündigt fünf Schritte in Richtung Ausgang gehe. Dort bleibe ich, zum Ärger des Mannes hinter mir, abrupt stehen und tippe meinen Regenschirm dreimal beherzt auf den Boden.

„Chinatown Main Street“