5. Kapitel: Downtown Eastside

„Au – Mist!“ Diesmal bin ich diejenige, die sich beschwert. Wir sind mit einem lauten Knall zwischen den Reinigungsutensilien in der Abstellkammer von Tim Horton’s gelandet. Und diesmal ist zur Abwechslung mal nicht mein Onkel Carl schuld daran.

 „If haf‘s mir deutfif flümmer vorfefellf“, nuschelt Drew undeutlich aus meiner Jackentasche.

„Sag mal, isst du da gerade was?“, frage ich erstaunt. Mir ist es schleierhaft, wie man bei einer Teleportation überhaupt etwas normal atmen kann, aber essen… Woher nimmt Drew bloß seine Nerven? Teleportationen sind nichts Neues für mich und ich stehe trotzdem immer wieder unter Strom.

„Nuf eif paaf Nüffe“, erwidert Drew noch immer schmatzend. „Haff’ welfe ifn deifner Taffe gefunfen.“ 

Einfach unglaublich…

Wir haben uns mittlerweile aus dem Laden und auf die Main Street durchgekämpft. Es regnet wie so oft in Raincouver stetig vor sich hin. Regen bin ich aus Cube nicht gewöhnt. Wir können das Wetter dort steuern und den Regen zu passenden Zeiten und an geeigneten Orten terminieren. Ich spanne meinen geliebten Regenschirm auf. 

Eastside ist ein absolutes Kontrast-Programm zum Campus-Gelände der UBC, auf dem sich unsere Zentrale befindet. Die Straßen hier sind größer und lauter. Es ist dreckig und weniger grün, überall liegen Einwegverpackungen vom letzten Fast Food herum. Doch ich darf mich nicht beklagen. Meine Mission ist es, die Armut in Downtown Eastside zu bekämpfen und genau das werde ich auch tun. 

Entschlossen gehe ich die Main Street entlang, bis wir auf die East Hastings Street stoßen. Nach links sieht alles ganz normal aus. Doch als ich nach rechts schaue, bin ich ziemlich geschockt. Überall kauern verwahrloste Menschen. In jeder Ecke stehen Einkaufswagen. Darin befinden sich einige wenige Habseligkeiten, Tüten mit Kleidung und Decken. Eine einsame, schwarze Katze läuft zwischen den Müllbergen herum. Die gesamte Straße ist völlig heruntergekommen. Die Häuser stehen alle leer.

Langsam gehe ich weiter, als hinter mir eine Stimme ertönt: „Bist du noch bei Trost? Geh da besser nicht lang. Das hier ist kein geeigneter Ort für junge Frauen wie dich.“ Als ich mich umdrehe, sehe ich einen Mann mit Drei-Tage-Bart und Weihnachtsmütze. Er trägt eine Sechserpackung mit Donuts bei sich, wahrscheinlich für sich und seine Familie. Ich danke ihm und tue so, als ob ich in eine andere Richtung weiterlaufe. Sobald er aus meinem Sichtfeld verschwunden ist, mache ich jedoch kehrt und gehe zurück zu der Trostlandschaft, die ich von nun an häufiger aufsuchen werde.

„Hier stinkt es bestialisch“, mault Drew. „Das ist ja nicht zum Aushalten! Ich dachte, wir sind so eine Art Superhelden und machen coolere Sachen.“

„Wenn wir hier Veränderungen bewirken können, sind wir in jedem Fall Superhelden“, erwidere ich nur.